Informationsveranstaltung zu den Knochenfunden auf dem Gelände der Freien Universität Berlin

Im Jahre 2014 wurden bei Bauarbeiten auf dem Außengelände der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin im Umkreis des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A) menschliche Skelettteile und Knochenfragmente aufgefunden.

In einer Kooperation der Freien Universität Berlin mit der Max-Planck-Gesellschaft und dem Landesdenkmalamt Berlin wurden 2015 und 2016 archäologische Grabungen durchgeführt.

Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik beherbergte medizinisch/ethnologische Sammlungen unterschiedlicher Art und kolonialgeschichtlicher Provenienz, es lieferte aber u. a. auch pseudowissenschaftliche Legitimation für die nationalsozialistische Rassenpolitik.

Es gab in den letzten Jahren zahlreiche national und auch international geführte Diskussionen um die Funde, sowohl in den Medien als auch in der Fachwelt, u. a. wurden die Funde im Rahmen eines Symposiums an der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem erörtert. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wurden in die Beratungen über den Umgang mit den Funden einbezogen.

Die aufgefundenen menschlichen Knochen wurden, unterstützt durch eine Arbeitsgruppe der Kooperationspartner, von Expertinnen und Experten der Freien Universität Berlin wissenschaftlich untersucht.

Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden jetzt am 23. 02. 2021 auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung im Rahmen einer Videokonferenz vorgestellt. Dabei wurde auch über den weiteren Umgang mit den menschlichen Knochen diskutiert.

Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, folgte ein einleitender Vortrag von Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl, Universität Bielefeld, über die Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A) im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, 1927-1945.

Daran schloß sich ein Bericht von Prof. Dr. Susan Pollock, Freie Universität Berlin, über die archäologischen Grabungen und über die in diesem Zusammenhang gefundenen Skelettteile von Menschen und Tierknochen am KWI-A an.

Überlegungen und Vorschläge zum weiteren Umgang mit den menschlichen Skelettteilen folgten von Prof. Dr. Günter M. Ziegler. Zum Abschluß wurde eine Kurzvorstellung des Projekts »Geschichte der Ihnestraße 22« von Dr. Manuela Bauche, Freie Universität Berlin, präsentiert.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich bei den menschlichen Skelettteilen mit hoher Wahrscheinlichkeit um Reste sog. „kolonialwissenschaftlicher Sammlungen“ handelt, vornehmlich afrikanischer Herkunft. Nur für zwei menschliche Knochenfunde kann möglicherweise eine Verbindung zu Auschwitz hergestellt werden.

Angehörige verschiedener Organisationen und Initiativen, die sich kritisch mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzen und sich um die Offenlegung kolonialrassistischer Denk- und Gesellschaftsstrukturen bemühen, forderten im Verlauf der Veranstaltung eine verstärkte Aufarbeitung kolonialgeschichtlicher und rassistischer Problematiken mit ihren vielfältigen Kontinuitätsbezügen bis in die Gegenwart hinein.

Dies sollte unbedingt unter Einbeziehung der Betroffenenverbände erfolgen, was bisher nicht erfolgt ist. Betont wurde, dass dabei mit der Täterperspektive gebrochen werden soll und eine Reproduktion der damit verbundenen Sichtweise vermieden werden soll.

In diesem Zusammenhang wurde angeregt, dass für die aufgefundenen menschlichen Skelettteile eine würdevolle Bestattung erfolgen soll, ohne dass dies mit einem religiösen Bezug verbunden sein soll und ohne dass eine Unterscheidung nach möglichen Opfergruppen erfolgen soll.

Vorgeschlagen wurde auch, im Zusammenhang mit dem geplanten Ausstellungsprojekt in der Ihnestr. 22 Rahmenbedingungen für eine verstärkte wissenschaftliche Forschung zu diesem Themenkomplex zu schaffen, vielleicht verbunden mit einem Begegnungszentrum oder anderen Formen, die eine kritische Auseinandersetzung damit ermöglichen.

Dazu sollte auch eine Auseinandersetzung mit der Nichtaufarbeitung dieses verdrängten Teils deutscher Geschichte in den zurückliegenden Jahrzehnten erfolgen.

Peter Mast